Dem Tod nahe
Aus dem Wasser in die Luft
Das erste was du normalerweise tust, wenn du das Licht der Welt erblickst, du nimmst einen tiefen Atemzug, welcher oft von einem Schrei begleitet ist. Dein Herz schlägt und du lebst. Natürlich war das davor auch schon so. Doch da warst du fein eingebettet im Wasser, wurdest durch die Nabelschnur versorgt und hast den rhythmischen Herzschlag deine Mama gehört.
Jetzt bist du draussen. Deine Körpergrenzen verändern sich und sind anders spürbar. Das fühlt sich für dich vermutlich komisch an, denn du brauchst einen direkten Kontakt. Ohne diesen würdest du sterben.
Erfahren und lernen
Von dem Moment an, wenn du das Wasser verlassen hast, bist du am Lernen. Deine Neurorezeptoren verknüpfen im Minutentakt neue Informationen mit deinem Körper und Gehirn. Du lernst dich auszudrücken, Muskeln ansteuern und deine Umwelt erfahren. Dabei ist das Motto: learning bei doing. Du lernst indem du tust. Du lernst, dass im optimalen Fall, deine Bedürfnisse gestillt werden wenn du dich regst. Du lernst in der Mimik deiner Bezugspersonen zu erkennen, was für eine Stimmung sie haben. Du lernst deinen Körper zu steuern. Wenn du dir so überlegst, was in einem guten Jahr alles passiert: vom hilflosen Säugling zum aufrecht gehenden Kleinkind.
Abkoppeln
Und dann das Erkennen, dass du ein eigenständiges Menschlein bist und auch selbst bestimmen kannst. Du kommst, in einem optimalen Umfeld, immer mehr ins Leben. DEIN Leben im sicheren Rahmen des Umfeldes. Doch irgendwann fällt der Rahmen weg. Dann zeigt sich was du alles gelernt hast. Wie du mit neuen Situationen umgehst und dein Leben lebst. Du wirst im optimalen Fall ein selbstständig denkender und lebender Mensch.
Sterben im Körper
Der Tod ist schon vor der Geburt gegenwärtig. Überflüssige Zellen werden bereits im Mutterleib abgestossen, so dass ein kleines Menschlein entstehen kann. Nach der Geburt vergessen wir den Tod meist. Doch bedenke, jeden Tag sterben Zellen in deinem Körper. Dies ist ein natürlicher Prozess. Es werden auch jeden Tag neue gebildet. Auch bei den Menschen ist das so: jeden Tag sterben auf der Welt Menschen und es kommen genauso viele jeden Tag auf die Welt.
Krankheit der langsame Tod
Eine Krankheit kann dich wieder an den Tod erinnern. Eine solche hat in deinem Körper ein sterben zur Folge. Es sterben Körperzellen, krankmachende Viren und Bakterien werden getötet. Wenn dein Immunsystem gesund und aktiv ist, reicht dies und dein Körper gesundet wieder.
Was, wenn du eine Krankheit hast, die die Ärzte nicht heilen können? In diesem Fall stirbt der Körper mit seinen Systemen stückweise. Der gesamte Sterbeprozess ist individuell und kann auch
Jahre dauern. Zuerst verlangsamt sich die Funktion der einzelnen Organe. Da die Organe wie Zahnräder miteinander funktionieren, haben wir hier eine Kettenreaktion. Der Mensch wird langsamer und müder. Nach dieser Phase kommen dann die massiveren Schmerzen und auch Luftnot hinzu bis die Organe versagen und schlussendlich das Herz aufhört zu schlagen. Der Mensch ist tot.
Sterben um zu leben
Der Tod eines geliebten Menschen hinterlässt Spuren. Er verursacht Schmerz und Trauer. Leider haben wir in unseren Breitengraden, aus meiner Sicht, die natürliche Einstellung zum Sterben verloren oder verlernt.
Die Natur zeig uns, wie es funktioniert: stirbt etwas, kann Neues entstehen, das irgendwann wiederum stirbt. Es ist ein Kreislauf. Zum Leben gehört der Tod dazu und umgekehrt.
Durch die Möglichkeiten der Medizin und das immer Älter werden der Menschen, vergisst man oft, dass der Tod dazugehört. Mach dich früh genug mit dem Tod vertraut. Beschäftige dich mit dem Thema und lass es ein Teil deines Lebens sein.
Henry Charles Bukowski, ein US-amerikanischer Schriftsteller und Dichter deutscher Herkunft, sagte: „Man muss erst einige Male sterben um wirklich leben zu können.“
Sterben muss dabei nicht der physische Tod sein. Auch eine tiefe Krise oder ein massiver Einschnitt im Leben kann einem Tod ähnlich sein, da man das Leben danach viel bewusster und je nach Situation auch anders lebt.